Sowohl die Kommunikationsarbeit als auch gesellschaftliche Wertvorstellungen verändern sich fortlaufend. Die Heterogenität der Verbandsmitglieder erweist sich als besonders komplex für die Verbandskommunikationsarbeit. Personelle Ressourcen sind knapp und das kommunikative Professionalitätsniveau zwischen den Verbänden unterschiedlich.
Diese Masterarbeit untersucht, wie lokale und regionale Bauern- und Wirtschaftsverbände die dachverbandsübergreifende Kampagne «Perspektive Schweiz» kommunikativ handhaben und welches die Auswirkungen auf die Komplexität ihrer Kommunikationsarbeit sind. Weiter zeigt die Arbeit auf, was sich daraus für das Zusammenspiel zwischen Dach- und Basiskommunikation lernen lässt. «Perspektive Schweiz» ist ein gemeinsames Werk von economiesuisse, dem Schweizerischen Arbeitgeberverband, dem Schweizerischen Bauernverband und dem Schweizerischen Gewerbeverband. Kampagnenziel ist es, dass an den nationalen Wahlen 2023 vermehrt wirtschafts- und landwirtschaftsfreundlich gewählt wird.
Die strategische Kommunikation von Interessenverbänden der Wirtschaft ist bisher grösstenteils unerforscht. Die Theorie weist auf diverse Spannungsfelder und Dilemmata der Verbandskommunikation hin. Zudem werden Anforderungen an die integrierte Verbandskommunikation sowie der Stellenwert von Glaubwürdigkeit und Vertrauen thematisiert.
Für die empirische Datenerhebung wurden mündliche Befragungen mittels eines leitfadengestützten Fragebogens durchgeführt. Alle elf Interviewpartnerinnen und Interviewpartner arbeiten in lokalen oder regionalen Bauern- oder Wirtschaftsverbänden und sind für die kommunikative Handhabung der Kampagne verantwortlich.
Die empirische Untersuchung zeigt, dass die Unterverbände den Top-down-Ansatz der Kampagne sowie die Kollaboration der vier Dachverbände begrüssen. Trotzdem wird die Kampagne sehr zurückhaltend umgesetzt. Hauptgründe dafür sind ein befürchteter Glaubwürdigkeits- oder Vertrauensverlust, fehlende personelle Ressourcen, eigene Kampagnenlabels, die gescheiterte Zusammenarbeit mit Partnerverbänden und das Anliegen, Mitglieder nicht überzustrapazieren. Einige Verbände haben auf die Umsetzung von «Perspektive Schweiz» verzichtet. Die Kampagnenumsetzung ist bei einer Mehrheit der Unterverbände nicht in einen integrierten Kommunikationsansatz eingebettet. Das erschwert unter anderem eine strategische Themensetzung und das Risiko von kommunikativen Widersprüchen steigt. Das hat komplexitätssteigernde Auswirkungen, da sich Verbände zunehmend auf weniger, dafür relevante und durchsetzungsfähige Themen konzentrieren sollten. Diese Masterarbeit formuliert Handlungsempfehlungen für die kommunikative Handhabung einer top-down geführten Kampagne sowie für die Bewältigung der damit verbundenen kommunikativen Komplexität.